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Sanitär- und Nährstoffwende

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Was ist die Sanitär- und Nährstoffwende?

Author / translator Marwin Outzen

Was ist die Sanitär- und Nährstoffwende?
In Zeiten des menschengemachten Klimawandels wird in verschiedenen wirtschaftlichen Branchen darüber nachgedacht, wie Klima und Umwelt geschont werden sollten und Menschen sich an den Klimawandel anpassen können; auch in der Branche der Sanitärsysteme. Bei einem klassischen WC wird Kot und Urin mit Hilfe von Wasser durch das Gebäude in die Kanalisationen und dann in zentrale Kläranlagen gespült, um dort bearbeitet zu werden. Verfechter*innen der Sanitärwende fordern jedoch ein Umdenken weg vom klassischen WC hin zu Trockentoiletten. Dies würden eine Nährstoffwende inklusive Kreislaufwirtschaft einleiten: Durch den Verzehr von Lebensmitteln entzieht der Mensch den Pflanzen Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor. Ein Teil dieser Nährstoffe wird im Kot und Urin wieder ausgeschieden. Das Ziel ist es, aus den Ausscheidungen einen Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien herzustellen, der den Pflanzen wieder hinzugefügt wird und somit Nährstoffkreisläufe schließt. Es bestehen jedoch auch berechtige Bedenken und einige Stimmen, die gegen eine Sanitär- und Nährstoffwende und für das bestehende Sanitärsystem argumentieren.

Unter folgendem Link finden Sie weitere Informationen zur Sanitär- und Nährstoffwende inklusive Quellen von den Info- und Themen-Karten: https://zirkulierbar.de/
Positionen:

Created 18 January 2024
Last edited 16 November 2024
Topics Economy, Environment, Food

Policy positions

Policy position 1

Der Verkauf von Recyclingdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten (TT) wird für die Lebensmittelproduktion legalisiert. Kommunen, Unternehmen, private Haushalte, die mit der Produktion und der Nutzung von dafür notwendigen Trockentrenntoiletten im Zusammenhang stehen, werden durch den Staat unterstützt (Subventionen, Beratung…). Im öffentlichen Raum werden TT bevorzugt.

Policy position 2

Der Verkauf von Recyclingdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten (TT) wird für die Lebensmittelproduktion legalisiert. Ein freier Markt steuert die Nachfrage nach Recyclingdünger. Es gibt keine staatliche Unterstützung für Kommunen, Unternehmen und private Haushalte, die mit der Produktion von Recyclingdünger und der Nutzung von dafür notwendigen TT im Zusammenhang stehen. Im öffentlichen Raum werden TT gleichwertig behandelt.

Policy position 3

Der Verkauf von Recyclingdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten (TT) bleibt zunächst verboten. Die bisher getätigte Forschung und Technologien sind nicht ausreichend und überzeugend; weitere staatliche Forschungsgelder stehen zur Verfügung. Es wird abgewogen, ob in die Sanierung des momentanen Sanitärsystems oder in die Forschung neuartiger Sanitärsysteme investiert werden sollte. Im öffentlichen Raum werden TT gleichwertig behandelt.

Policy position 4

Der Verkauf von Recyclingdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten (TT) bleibt verboten. Die bisher getätigte Forschung und Technologien sind nicht ausreichend und überzeugend. Menschliche Fäkalien in Recyclingdünger zu verwandeln und für die Lebensmittelproduktion zu verwenden ist nicht notwendig. Das jetzige Sanitärsystem ist ausreichend gut und sollte bei Missständen saniert werden. Im öffentlichen Raum werden TT nicht gebaut.

Story cards

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Emilia ist Ökolandbäuerin und hat einen Milchviehbetrieb. Sie baut dort unter anderem Winterweizen, Mais, Hafer und Öllein an. Der zweijährige Kleegrasanbau und der organische Mist aus der Tierhaltung versorgen den Boden mit Stickstoff. Der Anbau von Zwischenfrüchten verhindert ein Auswaschen der Nährstoffe über den Winter. Trotz teilweise geschlossener Nährstoffkreisläufe benötigt Emilia für ihre Anbauflächen dennoch weitere Düngemittel, um ihre Pflanzen mit genügend Nährstoffen zu versorgen. Aufgrund des Mangels und des Interesses für zukunftsfähige Düngealternativen, wurde Emilia Teil eines Forschungsprojektes und testet Humusdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten. Sie ist vom positiven Effekt des Düngers überzeugt und würde diesen sehr gerne in größerem Stile benutzen, um auch langfristig gesunde humushaltige Böden auf ihrem Hof zu erstellen. Sie hat kein Verständnis für das Verbot der Politik für Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien und fordert einen sofortige Zulassung.

Ökolandbäuerin Emilia
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Kleingartenbesitzer Noah ist begeistert von seinem neuen Humus-Abo. Eine Trockentrenntoilette hat er für sich und seine Familie schon länger im Garten stehen. Nur stand seit Jahren die Frage im Raum, wie genau die Fäkalien bearbeitet werden sollten; immer bestand diese Unsicherheit, ob die humusartige Masse nun wirklich ohne Bedenken als Dünger für das Gemüsebeet benutzt werden kann. Diese Unsicherheit hat nun ein Ende: Für eine Gebühr von 20 Euro pro 40l-Eimer werden die Fäkalien abgeholt und in der nahgelegenen Verwertungsstation professionell bearbeitet. Das Humus-Abo hat den weiteren Vorteil, dass der Eimer bei der Abholung stets mit einer gewissen Menge bereits professionell produzierten Humusdünger eingetauscht wird; zwei Fliegen mit einer Klatsche.

Kleingartenbesitzer Noah
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Das zweiwöchige Theaterfestival "Am Flüßchen" findet bereits zum fünften Mal statt. In verschiedenen Bewertungen und Gesprächen deckten sich die Meinungen grob wie folgt: "Die Aufführungen waren der Hammer, das Wetter hat mitgespielt und die Musik in der Nacht - ein Traum! Das einzig richtig Nervige waren die Toiletten; die stanken, waren dreckig und alles war nass". Nun überlegt die Festival-Nachhaltigkeitsmanagerin Emma für dieses Jahr Trockentrenntoiletten zu bestellen. Sie plagt nur folgende zwei Bedenken: Auf der einen Seite hat sie Angst, dass die Festivalbesucher*innen die Toiletten ecklig finden. Auf der anderen Seite sind die Angebote der Trockentoiletten-Unternehmen deutlich teurer als die jetzigen und sie fragt sich, ob die Investition sich lohnt.

Nachhaltigkeitsmanagerin Emma
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Das Unternehmen circelshit hat sich zum Ziel gesetzt, aus menschlichen Fäkalien Recyclingdünger herzustellen. Sie sind der Meinung, dass dem im Grunde auch fast gar nichts im Weg steht: Die technischen Vorraussetzungen für die Produktion von Recyclingdünger existieren, bei Bauern besteht eine Nachfrage und Forschungsergebnisse versichern, dass die produzierten Recyclingdünger sowohl hygienisch unbedenklich als auch landwirtschaftlich effizient sind. Das Einzige, was dem Unternehmensziel im Weg steht, ist die fehlende rechtliche Zulassung des Recyclingdüngers aus menschlichen Fäkalien. Dementsprechend ist fürs Erste das zentrale Ziel, Druck auf die Politik auszuüben.

Circleshit: Recyclingdünger aus Urin und Kot
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Leon ist Geschäftsführer der Kreiswerke Bad Plebsen. Er kennt die Forderungen der Menschen, die Trockentrenntoiletten und eine dezentrale Bearbeitung der Fäkalien befürworten. Leon ist aber davon überzeugt, dass Innovationen im klassischen linear aufgebauten Kanalisationssystem mit Kläranlagen und wassersparenden WCs ausreichen, um momentane Probleme im Sanitärsystem zu lösen. Sein Ziel ist: weniger Wasserverbrauch, weniger Energieverbrauch, weniger Umweltverschmutzung und mehr Kreislauf. So findet Leon den Vorgang der Phosphorrückgewinnung aus Klärschlammasche vielversprechend. Kurz gesagt: Eine Sanitärwende mit Trockentrenntoiletten braucht es nicht und ist seiner Meinung nach realitätsfern. Es sollten nicht die bereits sehr aufwändig und teuer erbauten Kanalisations- und Aufbereitungsanlagen verworfen, sondern erneuert und verbessert werden.

Kläranlagenbetreiber Leon
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Sofia ist bereits seit 23 Jahren mit Herz und Blut Lebensmittelkontrolleurin. Seitdem kämpft sie dafür, dass es in Deutschland nur Lebensmittel gibt, die auch wirklich unbedenklich für die Gesundheit der Verbraucher*innen sind. Dafür führt sie risikobasierte Proben von Lebensmitteln durch und prüft, ob alle Schadstoffgrenzwerte eingehalten werden. Als die Beamtin nach ihrer Meinung zu Lebensmitteln, die mit Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien gedüngt werden, gefragt wurde, antwortete sie: "Solange eine rechtlich anerkannte Norm existiert, die Grenzwerte für gesundheitliche Risiken aufzeigt, der Dünger auf dem deutschen Markt zugelassen ist und die Lebensmittel auch die Grenzwerte einhalten, lasse ich die geprüften Lebensmittel natürlich durchgehen. Um ehrlich zu sein, würde es mich aber nicht überraschen, wenn einige der Lebensmittel bei meiner Kontrolle durchfallen".

Lebensmittelkontrolleurin Sofia
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Luca ist Mitte 30 und wurde letztens vor seinem Gemüseladen des Vertrauens für eine Umfrage aufgehalten: "Würdest du Gemüse essen, das mit Dünger aus menschlichen Fäkalien hergestellt wurde?". Luca war ein wenig überrascht über diese seiner Meinung nach recht komische Frage, da Fäkalien ja voll von Krankheitserregern und allgemein einfach irgendwie ecklig sind. Nachdem er in seinem Zuhause den Infoflyer durchgelesen hat, kam er zu dem Entschluss, dass er nur unter folgendem Aspekt mit dem Angebot von den diskutierten Lebensmitteln im Supermarkt einverstanden wäre: Kennzeichnung auf den Lebensmitteln inklusive transparenter Überprüfung durch die Lebensmittelkontrolle.

Lebensmittelkonsument Luca
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Paul ist vor 10 Jahren in einen Wohnblock gezogen, in dem die Fäkalien nicht mit Wasser in die Kläranlage gespült werden sondern einfach mit der Schwerkraft in Keller fallen. Schon im Badezimmer wird dabei in der Toilette der Urin vom Kot getrennt. Im Keller wird dann der ganze Kot und Urin des Wohnblocks gesammelt und zu Recyclingdünger bearbeitet: Der Kot wird kompostiert und der Urin wird stabilisiert und von Arzneimittelrückständen befreit. Von Beginn an war Paul begeistert, da die Hausgemeinschaft so den hauseigenen Gemüsegarten bedüngen konnte, keine zusätzlichen Mittel kaufen musste und ihm das Gefühl, Teil eines Kreislaufes zu sein, Freude bereitet.

Paul aus dem Wohnblock mit dezentraler Kleinkläranlage
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Hanna ist Anfang 30 und ist mit zwei Freund*innen Teil einer Baugruppe, die einen nachhaltigen Wohnblock mit 12 Wohnungen bauen möchte. Da ihnen die Missstände in der klassischen Abwasserbehandlung bewusst sind, möchte der Großteil der Baugruppe im Haus Trockentrenntoiletten mit Stoffstromtrennung haben, um für ihren hauseigenen Garten Recyclingdünger zu produzieren und Wasser zu sparen. Hanna hat darauf aber gar keine Lust, da ihr die Umsetzung viel zu kompliziert ist. Es ist schwierig, kompetente Architekt*innen zu finden, die für die Trennung von Urin und Fäzes notwendigen Toiletten sind im Vergleich sehr teuer und neben ihrer Arbeit hat sie überhaupt keine Lust und Zeit, sich im eigenen Haus um die "Scheiße" von den anderen Hausbewohner*innen zu kümmern, um Recyclingdünger herzustellen.

Hanna aus dem Wohnblock mit dezentraler Kleinkläranlage in Planung
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Mia ist konventionelle Bäuerin und baut verschiedene Getreide- und Gemüsesorten an. Als Landwirtin benutzt sie synthetisch mineralische Dünger, um einen möglichst hohen Ernteertrag zu erzielen. Sie ist sich den möglichen negativen Auswirkungen von der Art und Weise, wie sie düngt für Boden und Umwelt bewusst. Wenn sie als Landwirtin mit einer mittleren Bodenwertzahl von 39 überleben möchte, bleibt ihr aber nichts anderes übrig. Auf einer Messe wurde ihr von Humusdünger und Urindünger aus Inhalten aus Trockentrenntoiletten erzählt. Sie findet die Idee spannend und würde den Dünger benutzen, wenn ihr sowohl der langfristige positive Effekt für den Boden als auch der kurzfristige Effekt für die Pflanzen mit überzeugenden Forschungsergebnissen bewiesen werden kann. Dazu ist ihr wichtig, dass der Dünger nicht teurer als der synthetisch mineralische Dünger ist.

Die konventionelle Bäuerin Mia
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Ella interessiert sich schon seit dem Studium vor 20 Jahren für die Probleme in der klassischen Abwasserbehandlung und fragt sich seit langem, warum wir eigentlich so viele Nährstoffe und Wasser verschwenden. Sie kämpft für eine Sanitär- und Nährstoffwende und fragt sich häufig, ob die wissenschaftlichen Studien, die sie veröffentlicht überhaupt einen Einfluss auf den politischen Diskurs haben. Sie ist ein wenig deprimiert, dass sowohl das Wissen als auch die technischen Möglichkeiten zu Trockentrenntoiletten existieren, aber innerhalb der Gesellschaft ihrer Meinung nach quasi nichts passiert. Deswegen fragt sie sich mehr und mehr, mit welchen Mitteln am besten politischer Druck und ein gesellschaftliches Umdenken erreicht werden kann.

Die Forscherin Ella
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Liam ist Architekt in einem Büro, das sich dem nachhaltigen Bauen verschrieben hat. Es ist das Ziel, sowohl Baustoffe und Energie mit einem geringen ökologischen Fußabdruck zu beziehen als auch Kreisläufe innerhalb des Gebäudes zu unterstützen. Im Büro hat er sich auf Abwassersysteme und Bäder spezialisiert. Er ist überzeugt davon, dass Expertise in diesem Bereich in Zukunft einen Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Architekturbüros mit sich bringt, da die Nachfrage nach Alternativen in Zukunft steigen wird. In diesem Sinne ist seine Vermutung, dass besonders ein politisch grünes wohlhabendes Bürgertum bereit ist, in Zukunft für die Dienstleistung dieser Architekturberatung zu zahlen.

Der Architekt Liam
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Lina ist davon überzeugt, dass ihre politische Arbeit einen Unterschied machen kann; besonders in Zeiten von wankelnden Demokratien und Klimawandel. Sie ist der Meinung, dass politische Entscheidungen auch mutig sein müssen, um Transformationen anzustoßen. Von Recyclingdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten hat sie sich durch Expert*innengespräche und wissenschaftlichen Studien überzeugen lassen. Sie ist sogar so begeistert, dass sie sich vorstellen kann, diesen auch mit Subventionen und Steuererleichterungen für Social Businesses zu unterstützen. Zunächst setzt sie sich aber überparteilich dafür ein, dass der Recyclingdünger erstmal einen Markt bekommt.

Die progressive Politikerin Lina
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Theo ist häufig skeptisch gegenüber den Ideen, die zumeist von jüngeren Parlamentarier*innen unterstützt werden. So sieht er seine Rolle primär darin, diese zu hinterfragen. Bei Recyclingdünger aus Inhalten aus Trockentoiletten hat er besonders viele Bedenken, weshalb er eine Legalisierung entschieden ablehnt. Bisher sind zu wenige wissenschaftliche Versuche durchgeführt worden, die die Unbedenklichkeit des Düngers für die Lebensmittelproduktion beweisen. Des Weiteren fehlen Langzeitstudien, die den positiven Effekt des Humusdünger für den Boden darlegen. Kurz gesagt: Laut Theo sollten wir nichts überstürzen mit der Legalisierung von Recyclingdünger und Trockentrenntoiletten im öffentlichen Raum. Die Bevölkerung lehnt das ja ohnehin ab.

Der konservative Politiker Theo
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Jana arbeitet seit 12 Jahren in der Kommune Nordsachsen und ist dort im Management der Abwasserbehandlung beschäftigt. Auf einer Messe in Berlin hat sie sich letztens zu innovativen Verwertungsanlagen, die Kot und Urin aus Trockentoiletten in Recyclingdünger verwandeln, beraten lassen. Was wäre ihrer Meinung nach für den Bau solch einer Anlage notwendig? Beim jetzigen Stand der Dinge müssten Menschen ihre Ausscheidungen selbstständig zur Anlage bringen, da die Müllabfuhr bereits überlastet ist. Sie würde es somit begrüßen, wenn ein Unternehmen diese Dienstleistung übernehmen würde. Falls sich die Baubranche in Zukunft dahin entwickelt, zunehmend Trockentoiletten in Häuser bauen zu wollen, müssten auch Kommunen reagieren und das Angebot der Behandlung von menschlichen Fäkalien anpassen. Des Weiteren fragt Jana sich, wer den Recyclingdünger aus Kot und Urin überhaupt abkaufen würde, solange es keinen legalen Markt in Deutschland gibt.

Die kommunale Mitarbeiterin Jana

INFO CARDSISSUE CARDS

Klo:topie

Die Philosophin Eva von Redecker kommentiert die sogenannte Klo:topie einer öffentlichen Trockentoilette mit einem barrierarmen Design wie folgt:

"Wer wissen will, wie ein neuer, planetarer Universalismus aussieht: rolli-gerechte all-gender Komposttoilette.“

Was ist deine Klo:topie?

Politik und Lobbyismus

Ohne Dialog mit der Politik gibt es keine Sanitär- und Nährstoffwende. Das Ziel der Trockentrenntoiletten-Lobby (bspw. dem Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme) ist es, mit Argumenten zu überzeugen. Es will das Abfallrecht und die Düngemittelverordnung verändern, Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien legalisieren und mehr Reallabore wie in Eberswalde ermöglichen.

Was aber ist der beste Weg, Einfluss auf die Legislative zu nehmen?

WC als Sinnbild für Fortschritt

Die weiße Wassertoilette aus Keramik ist in vielen Ländern weltweit ein erstrebenswerter fortschrittlicher Standard. Sie steigere den Komfort und den Status in der gesellschaftlichen Klasse. Andere Stimmen betrachten jedoch Trockentrenntoiletten als fortschrittlich.

Was ist Fortschritt und wie entsteht dieser?

Abwassergebühren: Ein Gedankenexperiment

Die Abwassergebühr von Schmutzwasser (Toilette, Waschmaschine, Dusche etc.) beträgt im Schnitt zwischen 1,90 und 2,70 Euro pro Kubikmeter. Bei einem Spülgang verbraucht eine Toilette im Schnitt etwa 10 Liter Wasser. Wenn ein Mensch 5 mal am Tag auf Toilette geht, sind das im jährlichen Schnitt etwa 18 000 Liter bzw. 18 Kubikmeter Wasser. Menschen sparen durch Trockentoiletten Wasser und somit Gebühren.

Zwischen unseren Ohren

EINE Perspektive:
Eine Positionierung zu gesellschaftlichen Themen beginnt immer erst in den Köpfen. Deshalb wird gefordert, dass Jugendliche bereits in der Schule im Biounterricht gemäß Lernplan etwas über ihren Toilettengang lernen und die zugrundeliegenden Lebensweisen/Praktiken inklusive Inhalte der Sanitär&Nährstoffwende diskutieren.

Marodes Kanalisationssystem

Unter anderem verstärkt Urin in Kanälen die Korrosion und belastet das Kanalisationssystem in Deutschland, das marode und sanierungsbedürftig ist. Die Sanierung bedarf aber hohe Investitionen.

Das stellt die Frage, ob eher in die Sanierung des zentralen Sanitärsystems mit Kläranlagen und Kanalisationen oder eher in den Aufbau eines neuen dezentral aufgebauten Sanitärsystems mit Trockentrenntoiletten investiert werden sollte.

Neue Märkte in der Zukunft?

Die Aufnahme von menschlichen Fäkalien in die Positivliste der deutschen Düngemittelverordnung würde den produzierten Recyclingdünger wie H.I.T. oder Aurin legalisieren. Das hätte die Kreation ganz neuer Märkte und Geschäftszweige zur Konsequenz. Es ist denkbar, dass diese möglicherweise sogar sehr profitabel für Investoren wären.

Phosphat als endliche Ressource

Für die Produktion von chemischen Düngern wird Phosphat benötigt, das in energieintensiven Bergwerken abgebaut wird und zu Umweltbelastungen führt. Die Reserven konzentrieren sich global auf einige wenige Länder. Schätzungen zu Folge reichen die Phosphatreserven bei momentaner Produktion von synthetisch mineralischen Düngern etwa 100 bis 300 Jahre. Diese Dünger ermöglichen die Massenproduktion von preiswerten Agrarprodukten.

#poopie

Gestank, Geräusche und Gesichtsmimik bleiben beim Toilettengang bei den meisten Menschen verschlossen hinter der Badezimmertür. Beim Projekt #poopie wird vom Gesicht genau in dem Moment ein Foto geschossen, wenn der Kot die Wasseroberfläche der Toilette durchbricht.

Ecklig? Lustig? Beides?

La Biennale di Venezia

Die 18te internationale Architektur-Austellung "La Biennale di Venezia" deklarierte im Jahr 2023 den Tod des WCs. Die Ausstellung zeigte neuartige Sanitärsysteme inklusive Trockentoiletten und soll Architekt*innen inspirieren, Innovationen mitzudenken.

Der Tod des WCs

Ein Kurzfilm beschreibt folgendes Szenario:

2023 besteht eine Wasserkrise aufgrund des Klimawandels, ein Jahr später eine Düngemittelkrise, 2027 wird von Seiten der EU- Politik der "Tod der WCs" angekündigt, trotz ziviligesellschaftlicher Widerstände haben 2035 mehr als 47% der Bevölkerung eine Trockentoilette im Haus installiert, 2043 wird die Trockentoilette als neuer Standard deklariert.

Toilettendesign

Welche Faktoren führen dazu, dass öffentliche Trockentoiletten benutzt werden? Einige Künstler sind der Meinung, dass das äußere Erscheinungsbild der Toilette nicht zu unterschätzen ist und somit mit einem modernen ansprechendem Design gestaltet sein muss. Andere Menschen sind der Meinung, dass das Verschwendung von Steuergeldern ist und Menschen auf Toilette gehen, da sie halt müssen.

Scheiße, Sprache und Macht

"Scheiße, mierda, shit, merde!". In vielen Sprachen werden verschiedene Synonyme von dem Wort Kot benutzt, um negative Umstände zu beschreiben.

Wo kommt dieses schlechte Bild von Scheiße her und wird es durch unsere alltägliche Sprache reproduziert?

Was hat Ressourceneffizienz mit Klimawandel&Umweltschutz zu tun?

Eine zu hohe Beanspruchung von bestimmten Rohstoffen hat einen negativen Einfluss auf den Klima- und Umweltschutz. In einer Studie zu den neun planetaren Belastungsgrenzen wurde u.a. festgestellt, dass die Nutzung von sowohl Stickstoff als auch von Phosphor als ein "hohes Risiko" für die Erde eingeordnet wird. Viele forschende Personen fordern deswegen eine erhöhte Ressourceneffizienz.

Soziale Innovationen

Es gibt verschiedene Arten von Innovationen. Eine soziale Innovation zielt auf eine Verhaltensveränderung von Menschen ab, um deren Leben im Sinne einer ganzen Gesellschaft zukunftsfähiger zu gestalten; ein Beispiel ist die Einführung der Krankenversicherung.

Denkst du, Trockentoiletten können eine soziale Innovation sein?

Kot für Brennstoff oder Biogas

Es gibt ganz viele verschiedene Art und Weisen, mit dem Fäkalschlamm umzugehen. So wird bspw. in Uganda der Kot getrocknet und in Form von gepressten Pallets als Brennstoff in Ziegelbrennöfen benutzt. Eine weitere denkbare Variante ist die Biogasproduktion.

Welches Potential siehst du im Kot?

Peequality: Gender und öffentliche Toiletten

Einige Menschen vertreten die These, dass die öffentliche Toilette ein Sinnbild für gesellschaftliche und räumliche Machtverhältnisse ist. Pissoirs bzw. Toiletten für Menschen mit Penis sind zumeist kostenlos, da der Bau von Pissoirs kostengünstiger und die Installation unkomplizierter ist. Hockpinkler*innen müssen jedoch häufig Geld. Die Forderung ist "peequality" bzw. eine Gleichberechtigung für Steh- und Hockpinkler*innen.

Die Macht des stillen Örtchens

Das Autor*innenkollektiv Rosa Loo** behauptet folgendes: "Sanitäreinrichtungen und die mit ihnen im Zusammenhang stehenden Infrastrukturen, Praktiken und Diskurse (re)produzieren Segregation, Exklusionen und Einschränkungen, die hinterfragt und neu gedacht werden müssen".

Stimmst du zu und wenn ja, inwiefern?

Ein sauberes WC mit einem eckligem Inhalt

Verschiedene Länder begegnen auf kultureller Ebene den eigenen Ausscheidungen auf ganz unterschiedliche Art und Weise. In Europa hat sich die Vorstellung einer sauber scheinenden Porzellantoilette mit Wasserspülung als hygienischer, moralischer und erstrebenswerter Standard durchgesetzt. Dabei werden menschliche Fäkalien bzw. der Kloinhalt zumeist als eckliger Abfall betrachtet; ein Gegensatz in einer Toilette.

Politik und ihre Chancen

Von der regionalen bis zur EU-Ebene gibt es auf politischer Ebene Bestrebungen, Kreislaufwirtschaften zu unterstützen. Einige Politiker*innen sind von Humusdünger aus Trockentoiletten begeistert und andere lehnen diesen aufgrund von Gesundheitsbedenken ab. Wer regiert und welche Haltung die Menschen mit Macht haben bestimmt auch über Forschungsgelder und Investitionen.

Holy shit song

"Es ist viel mehr als einfach nur Dreck, als Kompost ist es wertvoll, im WC spült sinnlos weg" singt Iris Lamouyette in ihrem Holy Shit Song, der von der Sanitär- und Nährstoffwende handelt.

Glaubst du, Menschen interessieren sich für Musik, die solch ein Tabuthema thematisiert?

Hundertwasser und die Scheiße

1979 schrieb der Künstler Friendensreich Hundertwasser das Werk: "Scheißkultur-Die heilige Scheiße"; ein Ausschnitt:

Wenn wir auf die Toilette gehen,
von innen zusperren und unsere Scheiße wegspülen,
ziehen wir einen Schlussstrich.
Warum schämen wir uns?
Wovor haben wir Angst?
Was mit unserer Scheiße nachher geschieht,
verdrängen wir wie den Tod.

Der Toilettengang in der Gemeinschaft

Vor hunderten Jahren saßen die Römer gemeinschaftlich auf der Toilette bzw. auf der Latrine. Sie spielten Brettspiele oder redeten über aktuelle politische Ereignisse. Heutzutage ist das in Deutschland und in vielen anderen Gesellschaften weltweit unvorstellbar.

Gerüche und Geräusche beseitigen

In einigen ostasiatischen Ländern ist es ganz normal, dass auf öffentlichen Toiletten technische Lösungen dafür sorgen, dass ungewollte Gerüche und Geräusche die Außenwelt nicht erreichen. So beginnt bspw. beim Hinsetzen ein Plätschergeräusch mit Vogezwitschern und beim Spülen wird automatisch ein sanft riechender Geruch in die Luft gesprüht.

Akzeptanz öffentliche Trockentoiletten

Laut einer repräsentativen Studie haben etwa 1/4 der befragten Personen in ihrem Leben eine Trockentoilette benutzt und 3/4 würden gerne mehr Trockentoiletten im öffentlichen Raum haben. Was ist ihnen dabei wichtig? Etwa 4/5 erwarten hygienische Sauberkeit und möchten keine Geruchsbelästigung.

Beobachtende Kommunen

Das Ziel des Projektes zirkulierBAR ist es, die Forschungsfortschritte und Erkenntnisse anderen Kommunen zugänglich zu machen, um so weitere Reallabore zu ermöglichen. So entsteht ein Netzwerk von beobachtenden interessierten Kommunen, die untereinander im Austausch stehen und dazu Weiterbildungs- und Beratungsangebote zur Sanitär- und Nährstoffwende in Anspruch nehmen können.

Akzeptanz Lebensmittel mit Recyclingdünger aus Urin

Eine Umfrage von etwa 3700 Studierenden in 16 verschiedenen Ländern sagt aus, dass 59% der Befragten Lebensmittel, die mit Urin gedüngt wurden, verzehren würden. In Polen sind es 47% und in Frankreich 80%.

Netzwerk für nachhaltige Sanitärsysteme (NetSan)

Verschiedene Akteure aus der Wirtschaft, Wissenschaft und Privatleben vernetzen sich im NetSan e.V, um die Sanitär- und Nährstoffwende gemeinsam voran zu bringen. Halbjährig finden Netzwerktreffen statt; manchmal auch mit Netzwerken in Frankreich ("reseau d´assainissement ecologique") und der Schweiz (VaLOO), die eine ähnliche Vision haben. So ist das Ziel, auch auf europäischer Ebene das Thema voran zu bringen.

Wie mit dem Klärschlamm umgehen?

Klärschlamm ist ein Nebenprodukt, das bei der Abwasserbearbeitung in Kläranlagen anfällt. Dieser wird auf verschiedenen Wegen entsorgt: Mehr als 79% wird verbrannt und für die Energieerzeugung benutzt. Dabei besteht die Frage, wie mit dem restlichen Phosphor in der Asche umgegangen wird (Phosphorrückgewinnung). 13% werden in der Landwirtschaft als Dünger verwendet (rückläufig; ab 2032 aus großen Kläranlagen verboten) und 5% zu Kompost verwertet.

Rohrposttoilette

Eine Rohrposttoilette funktioniert mit Stoffstromtrennung. Der Kot wird in einer trichterförmigen Papiertüte mit Hilfe der Schwerkraft ohne Wasser durch ein Rohr und der Urin durch ein anderes Rohr in den Keller geführt. Dort werden die Fäkalien direkt vor Ort bearbeitet oder in einem Sammelbehälter abtransportiert. Diese Toilettenart benötigt keinen Anschluss an das Sanitärsystem, muss aber in der Bauplanung frühzeitig mitgedacht werden.

Architektur und das Badezimmer

Das Badezimmer besitzt aus Sicht von Architek*innen aufgrund der vielen Normierungen und Vorschriften wenig Spielraum in der Gestaltung. Beispielsweise gibt es in den meisten deutschen Kommunen ein Anschlusszwang an bestehende Kanalisationen. Einige Menschen innerhalb der Baubranche fordern eine Auflockerungen der Vorschriften, Innovationsklauseln in Bauverordnungen oder Beratungsprogramme für neuartige Sanitärsysteme.

NPK was bitte?

Dünger hat das Ziel, die Pflanzen mit Nährstoffen zu bereichern. Häufig ist die Rede von NPK-Düngern. N steht für Stickstoff und gilt als Wachstumsmotor der Blätter. Das P steht für Phosphat und stellt den Energieträger dar, der wichtig für die Blüten- und Wurzelbildung ist. K steht für Kalium und hilft als Widerstandskraft gegen Schädlinge.

Dünger ist nicht gleich Dünger

Es gibt verschiedene Arten von Dünger, die grob wie folgt unterschieden werden:
Organischer Dünger besteht aus Pflanzen oder Tierresten wie Kompost, Fäkalien oder Hornspäne und ist gut für die Humusbildung im Boden bzw. eine Langzeitwirkung. Mineralisch synthetischer Dünger (anorganisch) wird chemisch hergestellt und hat direkten Einfluss auf die Pflanze bzw. eine Kurzzeitwirkung.

Grauwasser

Grauwasser ist das leicht verschmutzte Abwasser aus Duschen, Geschirrspüler etc. und hat keinen Kontakt zu Kot bzw. Schwarzwasser. Wird das Grauwasser gut aufbereitet, kann Frischwasser gespart und für die Toilettenspülung oder grüne Infrastruktur verwendet werden.

Schwarzwasser

Das Abwasser aus der Toilette inklusive Urin, Kot, Toilettenpapier etc. wird Schwarzwasser genannt. Es enthält einerseits Nährstoffe, andererseits aber auch Krankheitserreger und zumeist Arzneimittelrückstände. Somit bedarf es sowohl bei einer zentralen (Kläranlage) als auch dezentralen Sammlung der Schwarzwasserinhalte einer Behandlung, um Mensch und Umwelt zu schützen.

Dezentrale Sammlung in Siedlungen

Es gibt einige Siedlungen, die sich eine dezentrale Sammlung und Bearbeitung von menschlichen Fäkalien ohne zentrale kommunale Kläranlage zum Ziel gesetzt haben. Leuchturmprojekte sind unter anderem die ecovillage Hannover, Saint Vincent de Paul Paris, Sieben Linden oder das Ökohaus Rostock. Bei der Umsetzung und Nutzung der bearbeiteten Fäkalien unterscheiden sich die Projekte jedoch stark. Sondergenehmigungen brauchen sie jedoch alle.

Dezentrale Sammlung in Wohnhäusern

Die Stoffstromtrennung in der Toilette ermöglicht es, Urin und Kot direkt vor Ort im Wohnhaus getrennt zu sammeln und zu bearbeiten. Somit braucht es für die Toilette keinen Anschluss an das Kanalisationssystem. Diese dezentrale Sammlung beispielsweise im Keller ermöglicht es, Recyclingdünger für den hauseigenen Garten zu produzieren. Das Verfahren ist sowohl möglich in großen Wohneinheiten als auch in Einfamilienhäusern.

Reallabore

In der Vergangenheit wurde häufiger festgestellt, dass innovative Technologien Zeit, Teamgeist und Räume benötigen, um eine Gesellschaft zu überzeugen. In Projekten wie ZirkulierBAR (Kreis Barnim) oder P2Green (EU) wird bereits auf kleiner Ebene geforscht und getestet, was später auf großer Ebene gelebt werden könnte. 2024 wird zudem ein Reallaborgesetz erwartet, dass erleichtern soll, innovative Ideen zu erproben.

DIN SPEC 91421

2021 wurde die DIN SPEC 91421 veröffentlicht; der erste Produktstandard für Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien. Sie weißt bspw. Grenzwerte für Schadstoffe oder Mindestgehalte an Nährstoffen auf. So wird sichergestellt, dass das Produkt eine hohe Qualität hat und umweltverträglich ist. Diese Einordnung ist essentiell für die Kreation und Akzeptanz neuer Märkte und den Einfluss auf die Gesetzgebung.

Terra Preta

Die Nutzung menschlicher Fäkalien für Düngezwecke ist keine neue Erfindung. Schon vor 8000 Jahren haben indigene Völker im nährstoffarmen Amazonasgebiet ihre organischen Abfälle aus Küche und Körper gemischt mit Holzkohle dem Boden hinzugefügt. So entstand durch einen Fermentations- und Kompostierungsprozess die sogenannte "terra preta" bzw. fruchtbare Schwarzerde.

Feldversuche

Seit 2020 gab es bereits mehrere durch Sondergenehmigungen erlaubte Feldversuche mit Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien und weiteren Düngern wie organischem Rinderstallmist oder mineralischem Dünger. Dabei wurde ein positiver Düngeeffekt des Recyclingdüngers für die Pflanzen bewiesen und festgestellt, dass der Schadstoffgehalt im Boden die gesetzlichen Grenzwerte nicht überschreitet. Feldversuche über mehrere Jahrzehnte existieren nicht.

H.I.T.

H.I.T. steht für Humusdünger aus Inhalten von Trockentoiletten. Um Krankheitserreger und Schadstoffe zu entfernen, werden die Fäkalien in einem Container auf etwa 75 Grad erhitzt. Im Anschluss wird die Masse mit Grünschnitt, Tonminerale, H.I.T.-Anstellgut und frischem Wiesenmahd vermischt und täglich gewendet. In den folgenden 6-8 Wochen entsteht so durch den Prozess der Kompostierung ein nach der DIN-Spec 91421 qualitätsgesicherter H.I.T.

Kompostierung und Humusaufbau

Bei dem Kompostierungsprozess wird organisches Material durch Mikroorganismen abgebaut und es entsteht ein nährstoffreicher Humus. Dieser hat eine gute Wasseraufnahmefähigkeit, führt zu Durchlüftung des Bodens, Erosionsschutz und somit einem gesünderen Boden. Die Entstehung von Humus ist komplex, bedarf verschiedener Zutaten und ist auch mit Fäkalien möglich (siehe Karten "H.I.T." oder "Terra Preta").

Haber Bosch Verfahren

Künstlicher Stickstoff-Dünger entsteht unter hohem Energieaufwand in Form von Erdgas durch die Umwandlung von Luftstickstoff in Ammoniak. Der zugrunde liegende chemische Prozess wurde von den Chemikern Fritz Haber und Carl Bosch Anfang des 20ten Jahrhunderts entwickelt. Für den industriellen Pflanzenbau war diese Erfindung essentiell, da seitdem günstig auf großen landwirtschaftlichen Flächen Stickstoff gedüngt werden kann.

Stickstoffüberschuss im geklärten Abwasser

In der Kläranlage wird aus dem Abwasser Stickstoff entfernt (Nitrifikationsprozess). Trotz dessen verbleibt einiges an Stickstoff im geklärten Abwasser, das in die Natur abgeleitet wird. Dort führt es häufig zu einem Stickstoffüberschuss in Gewässern und erhöht somit das Euthrophierungspotential. Das bedeutet, dass Gewässer durch menschlichen Einfluss überernährt werden, was sich negativ auf das Ökosystem auswirkt.

Leckströme in Kläranlagen und die Belastung der Umwelt

Nach der Behandlung in der Kläranlage ist das Wasser zwar klar aber nicht komplett sauber. Es bestehen weiterhin Spurenstoffe, die u.a. durch pharmazeutische Rückstände wie Antibiotika, Kosmetika, Hormone oder Haushalts- und Industriechemikalien entstehen. Das führt zu sogenannten Leckströmen inklusive Verschmutzung von Oberflächengewässern und bspw. Unfruchtbarkeit von Fischen.

Nährstoffbearbeitung in Kläranlagen

In der Kläranlage wird das Abwasser gereinigt und die im Wasser enthaltenen Nährstoffe berarbeitet. So wird Phosphor zurückgewonnen und Stickstoff entfernt (Nitrifikationsprozess). Diese Prozesse führen dazu, dass im Abwasser weniger überschüssige Nährstoffe enthalten sind, die sich negativ auf die Umwelt auswirken könnten. Auf der anderen Seite wird dafür viel Energie benötigt, was wiederum einen erhöhten Treibhausgasausstoß zur Folge hat.

Nährstoffverschwendung

Urin entspricht 1% des kommunalen Abwassers. Er trägt jedoch den Großteil der Nährstoffe im Abwasser bei: 70-80 % des Stickstoffes und 45-60 % des Phosphors. Würden diese Nährstoffe benutzt werden, könnten mehr als 13% des Bedarfs an landwirtschaftlichem Dünger gedeckt und somit neben Treibhausgasemission auch eine Menge Geld gespart werden.

4te Reinigungsstufe

Trotz der drei Reinigungsstufen der Kläranlagen sind viele Oberflächengewässer verdreckt. Die vierte Reinigungsstufe hilft, Arzneimittelrückstände, Hormone, Mikroplastik oder Industriechemikalien aus dem Abwasser in der Kläranlage herauszufiltern. Aktivkohle führt zur Stoffbindung und Ozon zum Abbau der Spurenstoffe. Dieser Prozess ist aber so teuer und energieaufwändig, dass die meisten Kläranlagen auf die vierte Reinigungsstufe verzichten.

Nährstoffwende

Wird die Sanitärwende noch ein Schritt weiter gedacht und mit dem Aufbau einer regionalen Kreislaufwirtschaft in der Landwirtschaft verknüpft, ist die Rede von der Nährstoffwende: Durch den Verzehr von landwirtschaftlichen Produkten entziehen wir Menschen dem Boden Nährstoffe. Die Ausscheidungen sollen in Recyclingdünger umgewandelt und dem Boden zurückgegeben werden; ein Kreislauf entsteht.

Phosphorrückgewinnung

Es gibt verschiedene Arten, Phosphor aus dem Abwasser zurückzugewinnen. Einerseits besteht die direkte Rückgewinnung während des biologischen Abbauprozesses in der Kläranlage indem Struvit abgeschöpft wird. Andererseits kann Phophor nach der Verbrennung des Klärschlamms aus der Asche zurückgewonnen werden. Aufgrund der Klärschlammverordnung von 2017 und höheren Rückgewinnungsraten wird sich vorraussichtlich in Zukunft die Verbrennung durchsetzen.

Klärschlammverordnung

Im Jahr 2017 wurde die sogenannte Klärschlammverordnung mit der Motivation überarbeitet, die Klärschlammausbringung zu Düngezwecken zu beenden und Nährstoffe zurück zu gewinnen. Das führte folgende zentrale Neuheit mit sich: Ab 2029 ist die Rückgewinnung von Phosphor in Kläranlagen verpflichtend, wenn mind. 20 Gramm Phosphor pro Kilo Trockenmasse Klärschlamm vorliegen.

Positivliste DüMV

Für den legalen Verkauf von Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien, müsste Kot und Urin in Tabelle 7 Anlage 2 der Düngemittelverordnung (DüMV) bzw. der sogenannten Positivliste gelistet sein. Das ist nach momentanem Stand der Dinge nicht der Fall. Deshalb wird sowohl auf deutscher als auch auf europäischer Ebene die Aufnahme von menschlichen Fäkalien in die DüMV gefordert.

Schlupfloch EU-Recht

Mit dem "Verfahren der gegenseitigen Anerkennung" bietet das EU-Recht ein Schlupfloch für das Verbot, Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien auf dem deutschen Markt zu verkaufen. So können Unternehmen aus dem Ausland bei der deutschen Düngemittelverkehrskontrolle eine Anerkennung des betrachteten Produktes wie bspw. Aurin beantragen. Bisher ist dieser Vorgang aber noch unerprobt.

Rechtliche Hürden für Recyclingdünger aus menschlichen Fäkalien

Bisher unterstehen menschliche Fäkalien dem Abfallrecht. Es besteht jedoch die Forderung, dass Kot und Urin auch auf rechtlicher Ebene nicht mehr als Abfall sondern als Ausgangsstoffe für Düngeprodukte betrachetet werden (Positivliste DüMV) und somit das Kreislaufwirtschafts- und Düngerecht überarbeitet wird.

Sanitärwende

Das Ziel der Sanitärwende ist es, die momentane linear ausgerichtete Sanitärversorgung weiter zu entwickeln. Ein zukunftsfähiges Sanitärsystem würde demnach mit kreislauforientieren Technologien wie die Trockentoilette das jetzige System dort ergänzen, wo es sinnvoll und umsetzbar erscheint.

sdg21

Die Datenbank sdg21 dokumentiert seit 1980 Projekte, die nachhaltiges Bauen und Wohnen umsetzen. So sind europaweit 234 Siedlungen, 49 Quartiere und 46 Gebäude mit Wohnungen gelistet. Diese Liste stellt eine Informationsquelle für Interessierte dar und soll helfen, in Austausch zu kommen.

Stoffstromtrennung

Die Stoffe Kot und Urin werden getrennt aus dem Körper ausgeschieden und im Normalfall in der Toilette gemischt. Die Stoffstromtrennung hat jedoch zum Ziel, mit Hilfe von technischen Innovationen wie bspw. der "urin trap" die Stoffe direkt beim Entstehungsort zu trennen. Daraus resultieren verschiedene Vorteile: eine vereinfachte Bearbeitung von Kot und Urin, weniger Wasserverbrauch oder die Entlastung von Klärwerken.

urin-trap

In der Schweiz werden bereits Urin-Trenn-Toiletten aus Keramik hersgestellt, die mit einer Stoffstromtrennung direkt an der Quelle im Badezimmer einhergeht. Eine sogenannte "urin trap" trennt dabei den Urin vom Kot. Das ermöglicht die seperate Bearbeitung der beiden Ausscheidungsstoffen zu Recyclingdüngern wie H.I.T. oder Aurin.

Aurin als Recyclingdünger

Das Endprodukt der Urinaufbereitung und dem VUNA-Verfahren ist der Recyclingdünger Aurin. Er gilt als klassischer NPK-Flüssigdünger, ist seit 2018 in der Schweiz und seit 2022 in Österreich zugelassen und wird bereits in Gärten und Landwirtschaft benutzt. Der Dünger ist in verschiedenen Größen von 500ml bis 20l käuflich.

Urinaufbereitung durch das VUNA-Verfahren

Das in der Schweiz entwickelte VUNA-Verfahren ermöglicht es, aus menschlichem Urin NPK-Recyclingdünger herzustellen (Aurin). Dafür ist zunächst die Stabilisierung des gesammelten Urins notwendig. Diese führt zum Geruchsverlust und Bindung der Nährstoffe. Im Anschluss werden durch einen Aktivkohlefilter Arzneimittelrückstände und Hormone aus dem Urin entfernt. Aurin ist in der Schweiz seit 2018 und in Österreich seit 2022 zugelassen.

Wasserverbrauch bei klassischen WCs

Ein Drittel unseres täglichen Wasserverbrauchs verbrauchen wir durch unseren Gang zur Toilette. Im Jahr sind das etwa 15 000 bis 30 000 Liter Trinkwasser pro Person. Prognosen zeigen, dass besonders in Ostdeutschland die Wahrscheinlichkeit von Wasserknappheit steigen wird.

Wie funktioniert eine Kläranlage?

In Kläranlagen gibt es zumeist drei Reinigungsstufen:

1.mechanisch:
Entfernung grober Verunreinigungen durch Sedimentation von Sand/Verunreinigungen (Primärschlamm) und Fette an Abwasseroberfläche
2.biologisch:
Mikroorganismen ernähren sich aus dem sogenanntem Belebtschlamm (Sauerstoffzufuhr), reinigen so das Wasser, bilden Grüppchen und werden anschließend abgeschöpft
3.chemisch:
Entfernung Phosphor und Stickstoff

Entstehung Schwemmkanalisation

Um 1800 wurden als Antwort auf die Industrialisierung und das Wachsen der Städte die ersten großflächigen Kanalsysteme für städtisches Abwasser gebaut. Diese Innovation war eine enorme Errungenschaft, da so bspw. die Cholera-Epidemie effektiv bekämpft werden konnte. Die zentrale Sammlung führte zunehmend zur Frage, wie das Abwasser am besten gereinigt werden sollte. Mitte des 19ten Jahrhunderts entstanden so die ersten Kläranlagen.

Kreislaufwirtschaft

Diese Art und Weise zu Wirtschaften lässt einen Kreislauf aus der Produktion und des Konsums eines Produktes entstehen. So werden Abfälle reduziert und/oder wieder verwendet. Am Ende geht es darum, den Lebenszyklus eines Produktes zu verlängern und so der "Wegwerfwirtschaft" entgegen zu stehen.

Mineraldünger

Mineraldünger enthält "einen oder mehrere Pflanzennährstoffe wie Stickstoff, Phophat, Kali, Kalk oder Magnesium aus mineralischen oder synthetischem Ursprung in anorganischer Bindung". Die Konzentration liegt darin, der Pflanze direkt Nährstoffe hinzuzufügen.

Wirtschaftsdünger

Wirtschaftsdünger sind "organische Substanzen, die in der Land- und Forstwirtschaft anfallen und zur Düngung eingesetzt werden". Die Konzentration liegt darin, dem Boden Nährstoffe hinzuzufügen.

Recyclingdünger

Beim Recyclingdünger werden Abfallstoffe aufbereitet und zu organischen Dünger umgewandelt. Beispiele sind der Gartenkompost oder die Aufbereitung von menschlichen Fäkalien zu Humus aus Trockentoiletten (H.I.T.).

technische Innovation

Es gibt verschiedene Arten von Innovationen.
Eine technische Innovation ist die Markteinführung eines neuen Produktes oder die Verbesserung eines bereits bestehenden Produktes. Ein Produkt kann auch ein Prozess sein.

All-gender-Urinal

Einige Unternehmen haben bereits all-gender Urinale entworfen und produziert. Nach dem Motto "form follows function" soll es so auch für Menschen mit Vulva möglich sein, in einer neu geformten Art von Pissoires im Stehen zu urinieren. Urinale sind praktisch, da sich der Urin nicht mit Kot oder anderen Stoffen vermischt und die Weiterverarbeitung vereinfacht.

ZirkulierBAR

Das Projekt ZirkulierBAR möchte in der Kommune Barnim einen klimagerechten und umweltfreundlichen Umgang mit menschlichen Fäkalien erforschen und dabei analysieren, inwiefern eine Kreislaufwirtschaft mit lokalen Landwirt*innen möglich ist. Bei diesem Vorhaben sind verschiedene Akteure wie Universitäten, Unternehmen und Institute involviert.

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